Schorsch entdeckt die Berliner Stadtgüter

Nach einem langen Winter war es Ende April endlich soweit: Unser Dienstigel Schorsch wurde in die Freiheit entlassen. Und welcher Ort wäre besser geeignet als unser „Mauerbienchen“, einer mit Streuobstbäumen und Entdeckerbeeten bestandene Lern- und Erholungswiese am südlichen Berliner Stadtrand. Denn dort hat sich in den letzten Monaten viel getan, was nicht nur Igelherzen höherschlagen lässt. Doch dazu später mehr.

Unsere Geschichte mit Schorsch begann an einem regnerischen Tag Anfang Oktober. Ein Tag im Außendienst. Geschafft und zufrieden setze ich unseren FÖJler, Lovis Freigang, am S-Bahnhof ab. Ein Blick nach links, ein Blick nach rechts und ab nach Hause. So der Plan.

Meine Aufmerksamkeit wird jedoch auf eine Kindertraube gelenkt. Es wird diskutiert, beratschlagt und um sich geschaut. Sitzt da etwas auf dem Boden? Ich steige aus und schaue nach. Zu sehen ist ein winziger Igel. Ich stupse ihn an. Er bewegt sich nicht, wackelt nur etwas vor und zurück.

Durch Zufall fahre ich mit einer Kiste durch die Gegend, diese soll nämlich die zukünftige „Veranstaltungskiste“ der Berliner Stadtgüter werden. Eigentlicher Inhalt sollen Spiele für Kinder werden. Noch ist es jedoch nicht soweit, denn der Igel kommt erst einmal dort hinein. Ich erkläre den Kindern was ich mit dem Igel vorhabe und fahre los.

Richtung Tierarzt, denn eigentlich ist der Kleine sehr klein und auch gar nicht fit.

Er musste eine Woche dort bleiben. Neben den üblichen Flöhen und anderen Parasiten hatte der Igel, nun bereits auf den Namen SCHORSCH getauft, auch Fliegeneier an den Augen, Mangelerscheinungen und war unterernährt. Tierärzte behandeln gefundene Wildtiere übrigens kostenlos.

Nach einer Beratung durch den Tierarzt, einer Einkaufsrunde durch den Supermarkt und dem Sammeln von Laub, ging es dann mit Schorsch nach Hause.

Zwei Tage lang musste er noch zweimal am Tag Augentropfen bekommen. Schorsch war geduldig und freundlich, obwohl die Augentropfen zuerst überall landeten, nur nicht im Auge. Denn auch ein netter Igel pikst mächtig gewaltig.

Ab jetzt standen tägliches Wiegen und Saubermachen auf dem Programm. Igel sind reine Fleischfresser, dementsprechend riechen sie auch nicht nach Lavendel. Nachdem Schorsch fleißig zugenommen hatte, wurde er aus dem Wohnzimmer verbannt. In einem Nebengebäude konnte sich der Igel an die kühleren Temperaturen gewöhnen, denn das Ziel war natürlich seine baldige Freilassung. Sein Gewicht sollte bei 650 g liegen (gestartet ist er bei 330 g).

Bis zum Beginn des Winters fehlten Schorsch nur wenige Gramm zum Zielgewicht. Dauerregen und Nächte unter Null Grad machten es unmöglich, den Igel freizulassen. Wie auch – er schlief inzwischen tief und fest eingerollt unter einem großen Stroh- und Blätterberg in einem frostfreien Raum.

Nachdem Dienstigel Schorsch erwacht ist und es auf ein stolzes Gewicht von 1.100 g gebracht hat, war es nun Zeit, ihn in die Freiheit zu entlassen. Am ,,Mauerbienchen“ findet er nun alles, was er braucht. Blühende Obstwiesen, Holzhaufen, Hecken zum Verstecken und Komposthaufen, in denen sich Leckerbissen finden wie Insekten, Regen- und Ohrwürmer, Schnecken und Tausendfüßer. Und es gibt keine Hunde. Schorsch ist nun vermutlich auf der Suche nach einer Igeldame und wir wünschen „unserem“ Dienstigel alles Glück der Welt.

Beate Sobioch